Von Gottes Gnaden by Nataly von Eschstruth
Autor:Nataly von Eschstruth [Eschstruth, Nataly von]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-01-08T00:00:00+00:00
VIII.
Wigand hatte voll aufopfernder Treue die Angelegenheiten der beiden einsamen Damen geordnet, hatte ihnen wie in selbstverständlicher Dienstwilligkeit in den schweren Tagen zur Seite gestanden und mit ernster Besonnenheit die Verwaltung des Gutes allein übernommen. Alles ging den gewohnten alten Gang und Frau Koltitz kam in der ersten Aufregung gar nicht auf den Gedanken, dass es anders sein könne.
Als sie sich allmählich in ihre Verlassenheit fand und begann, über alles ruhiger und klarer zu denken, erwog sie auch den Umstand, dass es doch eine harte und eigentlich undenkbare Zumutung sei, Wigand dauernd an Ellerndörp zu fesseln. Eine nervöse Unruhe erfasste die Hilflose. Was sollte ohne ihn werden? — Was sollten sie ohne seinen Schutz und seine sorgende Umsicht beginnen?
Als sie eines Abends mit Erika und Wigand von dem Grab des Obersts heimkehrte, berührte sie zum erstenmal diese Angelegenheit. Sie war aufgeregt, Angst und Unruhe durchzitterten ihre Stimme.
Erika wusste, wie schwer diese Zukunftsfrage auf der Mutter lastete, ihr Blick hing wie in angstvollem Flehen an dem ernsten Angesicht des jungen Mannes und zum erstenmal im Leben hatte sie die Empfindung: es ist ja ganz unmöglich, dass wir uns von ihm trennen! er gehört zu uns, er kann uns nicht verlassen!“ Nie war sie sich so verlassen vorgekommen wie jetzt.
Der Vater war ihr genommen, von Joël kam kein Wort der Teilnahme, keine freundlich tröstende Zeile, das war zu viel des Wehes auf einmal. Sie suchte ihn mit aller Erfindungskunst der Liebe zu entschuldigen.
Sicherlich fand er keine Zeit, durchaus keine Zeit. Auch er muss die Angelegenheiten im Elternhause ordnen, er muss die alten Verbindungen mit seinen musikalischen Freunden und Meistern neu aufnehmen, im Wirbel des Stadtlebens wird vorerst die Erinnerung an das verhasste Heidedorf zurückgedrängt.
Sie zürnt ihm nicht, sie empfindet es nur so qualvoll, einsam und trostlos zu sein. Der Gedanke, auch Wigand zu verlieren, entsetzt sie, denn die Mutter hat ihr klar gemacht, was sein Scheiden für das Gut bedeute. Und nun fragt ihn die leise vor sich hin weinende Frau, was er über sich und seine Zukunft beschlossen!
Erikas Blick hängt an seinen Lippen. Nie hat sie sein ehrliches Angesicht so aufmerksam studiert wie in diesem Augenblick.
Sie atmet tief auf, als sie den Ausdruck seines Auges sieht, mit welchem er die Mutter anschaut. — Nein, wer so voll Güte und Treue drein blickt wie er, kann keine Menschenseele kränken und verlassen.
Und das versichert er auch voll warmer Herzlichkeit. Seine Worte klingen so schlicht wie stets und dennoch deucht es dem jungen Mädchen, noch nie so viel Trost und Beruhigung aus einer Stimme geschöpft zu haben, wie aus der seinen.
Seine Selbstlosigkeit denkt nicht an sich und den eigenen Vorteil, er sagt kurz und klar, dass er Ellerndörp verwalten werde, bis es Frau Koltitz für ratsam fände, das Gut zu verkaufen.
Man überlegt her und hin, Frau Koltitz weiss genau, dass es grosse, sehr grosse Schwierigkeiten haben wird, diesen einsam gelegenen Besitz, welcher in den Augen normal denkender Menschen sehr viel mehr Schatten- wie Lichtseiten aufweist, zu verkaufen, wenigstens schadlos zu verkaufen. Der Oberst hatte
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